Mittwoch, 28. März 2012

Das ist doch nicht normal!


Es gibt in der Welt ja schon ein paar seltsame Menschen - so Menschen, die einem über den Weg laufen und die einen zwingen ganz doll mit dem Kopf zu schütteln…

Ich mag ja so Menschen einfach nicht so gerne, die der Meinung sind, dass sie
  1. mein Kind besser kennen, als ich es tue;
  2. der Meinung sind, dass alles schlecht ist, was man mit seinem Kind tut;
  3. die denken, sie können Eiscreme scheißen und dass sie die idealen Menschen sind und sowieso immer wissen, was die ideale Vorgehensweise ist…
Wenn ein Kind nicht so ganz ideal ist – also keine 21 Stunden am Tag schläft ‒ dann trifft man ganz viele solche Menschen… Heute war mal wieder so ein Tag – wahrscheinlich ziehen zwei Kinder solche Menschen aber auch doppelt so stark an, wie nur ein Kind…

Der Tag durfte so schön beginnen, es ist Frühling, die Sonne scheint und die bekloppten Menschen kriechen alle aus ihren Löchern. Schade.

Heute gab es gleich mehrere Begegnungen mit dieser anderen Art von Menschen, aber wenn man keine idealen Kinder  hat, dann passiert einem das wohl öfter, als einem lieb ist. Was wirklich schade ist, ist allerdings, dass man so Sachen, die man diesen Menschen gerne an den Kopf werfen würde entweder gerade nicht zur Hand hat (ich träume ja manchmal von Backsteinen!) oder sie einem erst später einfallen… Sprachlosigkeit ist nämlich so eine Sache, die oftmals passiert, wenn man einfach so fassungslos und ungläubig ist…

Nach meinem letzten Blogeintrag kam ganz viel Feedback – viel davon von anderen Muttis, die sich sehr damit identifizieren konnten, was ich da so von mir gegeben habe und auch sie haben so seltsame Menschen getroffen (die Damen, die sich hier angesprochen fühlen – ich möchte eure liebsten Erlebnisse gerne noch in schriftlicher Form, ich denke, sie würden den einen oder anderen hier zu einem sehr ungläubigen Lachen verhelfen…)
Beim Austausch über diese Sachen ist mir auch ein Erlebnis wieder in den Kopf gekommen, mit dem ich nun hier mal anfangen möchte – da war der kleine Mann nämlich noch ganz klein, ich bin heute also einfach mal ein bisschen chronologisch, ha ha…

Es war einmal im Sommer 2010 – Henry war gerade ein paar Wochen alt und ich saß mit ein paar Freundinnen in einem Café. Als sich der Hunger gemeldet hat, habe ich den kleinen gestillt.
--> bis hierhin eine ganz schöne Gesichte. Ha ha. Ist ja auch nur eine der allernatürlichsten Sachen der Welt…
Der Jemand am Tischen nebenan fühlte sich dadurch allerdings doch sehr gestört, deswegen ereignete sich folgender Dialog:
„Muss das in der Öffentlichkeit sein?!“
„Ja, Sie essen doch auch in der Öffentlichkeit, gerade?“
„Ich esse aber auch keine Brüste.“

Was ich mit diesem Beispiel sagen möchte? Hallo Welt, was ist da los? Wo ist die Toleranz? Ach ja, Deutschland mag ja keine Kinder, ich erinnere mich, aber mal ehrlich, was soll man denn machen? Sich die ersten zwei Jahre mit seinem Kind Zuhause einschließen und so tun, als würde man gar nicht existieren?!
Das wäre dann sicher auch den Menschen in den Bussen ganz recht – wenn man gerne mal das Gefühl haben möchte, der Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit zu sein, dann muss man nur mit einem schreienden Kind in einen vollen Bus steigen! Das Problem an dieser Sache ist nur, dass man es dann einfach nicht richtig machen kann – denn was ja jeder weiß: das ideale Kind schreit niemals!
Es gibt zwei Szenarien, wie man mit einem schreienden Baby in einem Bus sein kann

  1. Möglichkeit:  
das Baby liegt in einem Kinderwagen. Weil der Bus voll ist, spricht man zwar mit ihm, kann es aber nicht herausnehmen, weil man mit einem schreienden Baby auf dem Arm nicht mehr die Möglichkeit hat sich so festzuhalten, dass es für beide sicher ist zu stehen – Verständnis gibt es dafür keins, man ist schon echt ne Rabenmutter!

  1. Möglichkeit:
das Baby ist in einem Tragetuch oder einer Tragehilfe. Dann ist für den gemeinen Menschen klar, warum das Kind schreit – es können keine niederen Instinkte sein, es kann nur daran liegen, dass man das Kind in so was reingezwängt hat – egal, was man in der Situation tut, man kann es nur falsch machen.

Wo wir dann auch schon bei meinem heutigen Erlebnis wären (wirklich alle anderen Sachen hier aufzuschreiben, würde den Rahmen mehr als sprengen…).

Heute waren wir also einkaufen, einer müde und quengelig und auf dem Boden sitzend und nicht mehr aufstehen wollend (ich habe mir vorgenommen, dass mein Kind nicht 3 wird, das scheint anstrengend zu sein – sowieso ist es so, dass man wohl immer denkt, dass es bald besser und einfach(er) werden muss und dann ist das eindeutig nicht der Fall, aber man wächst ja an seinen Aufgaben…), das andere Kind äußerst vergnügt auf meinem Rücken.
Verständnislose Blicke sind dann eine Sache, aber unqualifizierte Kommentare sind da doch noch ein bisschen häufiger… wo wir also bei den Menschen wären, die der Meinung sind, dass sie eh alles besser wissen – hier die Fakten:

  1. Mutter und Tochter schieben einen fürchterlich hässlichen Kinderwagen vor sich her (beige braunes Blümchenmuster – mal ehrlich, die einzigen Blumen, die so sind, sind welk und tot!) und schauen sehr ungläubig.
  2. Kommentar: „ Wenn man so was auf seinem Rücken trägt… nee nee… damit macht man sich nur den Rücken kaputt!“
--> an dieser Stelle würden sich auch beliebige andere Kommentare einfügen, ich hab da so ein paar persönliche Favoriten:
1. „du verwöhnst dein Kind.“
2. „du sorgst damit dafür, dass dein Kind nicht ordentlich laufen lernt.“
3. „das Kind wird immer von dir abhängig sein!“
4. „man sollte sein Kind nicht so knebeln.“
5. „das kann nicht gut sein für die Entwicklung.“
6. „kauf dir doch lieber einen Buggy, wenn das Kind nicht mehr in den Kinderwagen passt, das ist doch viel handlicher.“
7. „das sieht ja gar nichts!“
8. „das ist egoistisch, irgendwann muss man sich auch abnabeln!“
9. „das macht man doch nur in Afrika!“

  1. die beiden gehen kopfschüttelnd an uns vorbei.
  2. wir gehen raus, die beiden sitzen neben dem Kinderwagen an der Bushaltestelle und rauchen.
  3. schade, ein Ziegelstein hätte das wohl auch nicht besser gemacht.
Gut an der Sache ist allerdings nur, dass man nach gewisser Zeit doch auch ein bisschen abstumpft, die Beschimpfungen und das Kopfschütteln bringen mich mittlerweile sogar eher zum lachen – trotzdem sollte ich mir mal eine Liste mit Sachen einprägen, die ich in solchen Situationen abrufen kann.

Der Tag ging dann aber weiter und die nächste Begegnung der anderen Art ließ nicht lange auf sich warten.
Da stand sie, auf dem Balkon, die gute M. – eigentlich eine nette eine, aber mit Weltanschauungen, die mir als Mama nicht verständlich sind:

„Das ist aber nicht normal oder?“ – mein Sohn ist 21 Monate alt, ich bin eigentlich ganz froh, dass er nicht mit jedem spricht, eher scheu ist und eine fremde Person von ihm erst ein Lächeln bekommt, wenn sie nicht mehr fremd ist.
M. scheint das anders zu sehen.
Davon abgesehen, dass sie davon ausgegangen ist, dass er schon 3 Jahre alt ist – was ja klar ist, denn er hatte ja eine Dreijährige neben sich stehen und er sieht natürlich so aus, als sei er genauso groß, genauso alt und eigentlich müsste er auch schon tiefgründige Gespräche über Überweisungsträger und Atomphysik führen können – sehe ich ja ein…
Aber wo waren wir stehen geblieben?
M. war außerdem der Meinung, dass man dafür sorgen müsste, dass sich das ändert (nebenbei merke ich noch mal an, dass er sie an diesem Tag das erste Mal in seinem Leben gesehen hat!) – sie hat also vorgeschlagen, dass es das beste wäre, wenn sie ihn gleich mal mitnehmen würde, am besten zum Hund, weil er vor dem ja selbstverständlich Angst haben würde… ha ha.
Ähm, nein, würde er nicht, denn er mag Hunde, Tiere sind ihm sowieso um einiges sympathischer als Menschen, wie das wohl kommt?!
„Du ja aber, ne?“ *lach* (zur Dreijährigen gewand)  - ähm, ja, kleine Mädchen dürfen auch Angst haben, wenn sie auf einem Spielplatz schon mal von einem verrückten Hund angebellt worden sind und die Besitzerin es nicht mal für Nötig hält sich zu entschuldigen – bei Kindern muss man sich ja auch nicht entschuldigen, wenn diese einen Schreck bekommen, ist ja klar, sind ja auch keine autonomen Menschen.

Ja, Angst ist natürlich super, man sollte jeden Menschen mit Angst erziehen, das muss gut sein, so werden die kleinen Menschen bestimmt in der Zukunft auch selbstbewusste Menschen, die glücklich durchs Leben gehen…
Vielleicht sollte ich M. mal besuchen gehen, ihr eine Handfeuerwaffe an den Kopf halten und sagen „oh, ja, lustig, Angst ist gut und so, har har har!“ dabei könnte ich dann noch ein bisschen irre schauen und sagen, dass meine Eltern mir früher auch immer Angst gemacht haben und ich es mir zum Ziel gesetzt habe, alle bösen Erwachsenen zu bestrafen – Rächerin der sich-noch-nicht-wehren-könnenden-Kinder oder so?

Auf dem Rückweg ist das Kind leider auch noch auf die Nase gefallen und hat mit dem Gesicht gebremst, Stirn, Nase, Kinn, Wangen – alles, was auch nur ein bisschen absteht, ist leider betroffen… er sieht wirklich ein bisschen schlimm aus.
Es geht ihm aber gut, Kinder fallen beim Spielen nun mal auch mal hin – es sieht ja zum Glück meistens schlimmer aus, als es ist. (Ich habe echt überlegt, ob ich das Bild hier reinstellen soll - aber, auch, wenn es weh tut, man kann die Kleinen leider nicht vor allem beschützen, auf dem Foto ist er schon wieder ganz happy - Schürfwunden gehören nun mal zum Großwerden dazu... - ich denke mir nur, dass die Frauen mit dem Kinderwagen nun einen dummen Spruch auf den Lippen hätten, warum ich das Kind denn nicht getragen hab und warum er selber laufen musste...)

Ich denke aber, ich möchte M. gerne besuchen und ihr sagen, dass ich mir zu Herzen genommen habe, was sie gesagt hat, dass es einfach nicht normal ist, dass er nicht mit jedem spricht, er sollte lieber von jedem Süßigkeiten annehmen und in jedes Auto einsteigen (deswegen sagt er wohl auch so gerne „Auto“?) und dass ich ihn dafür bestraft hab, es soll ihm eine Lehre sein, dass er so schüchtern ist. Vielleicht merkt sie dann, dass sie ihre Einstellung mal überdenken sollte?
Ja, ich denke, dann würde ich mich besser fühlen.

Schreiben ist aber auch gut. Ich fühl mich schon besser. So.